Mittwoch, 9. September 2015

#9 Ein Monat in Brasilien

1 Monat in Brasilien

Unfassbar, aber wahr. Die Zeit vergeht wie im Flug.

Am Montag der zweiten Woche in der Gastfamilie hatte ich meine Schule immer noch nicht.
Also hat meine Mutter (in Deutschland) YFUDeutschland angerufen, ob das nicht langsam geregelt werden kann und die im Büro wussten noch gar nicht, dass ein paar Austauschschüler ihre Schule noch nicht hatten …
Die Frau aus Deutschland hat dann bei YFUBrasilien angerufen und ein bisschen Druck gemacht und siehe da: Einen Tag später kam der Anruf aus Rio, dass ich bei einer katholischen Schule angenommen wurde, auf die auch meine Gastmutter gegangen ist.
Es war nicht möglich auf die Schule meiner Gastgeschwister zu gehen, weil die anscheinend in den letzten Jahren schlechte Erfahrungen mit Austauschschülern gemacht haben, aber ich bin sehr glücklich mit meiner jetzigen Schule!

Das Heimweh hat sich so gebessert! Vor allem seit ich in der Schule bin ist es komplett weg.
Als ich das erste Mal in der Schule war (nicht zum Unterricht, sondern zum Vorstellen bei der Direktorin) hat diese angefangen mit mir auf Französisch zu reden.
Ich war so verdutzt und konnte in dem Moment nicht unterscheiden, ob das jetzt Portugiesisch oder Französisch ist. Mir ist auf einmal kein einziges französisches Wort eingefallen und es ist nur Portugiesisch rausgekommen.
Es ist so verwirrend! Ein totales Sprachenchaos in meinem Kopf und mir fällt kein französischer Satz mehr ein.

Die Schuluniform hier ist so bequem! Und es ist super praktisch, weil man sich keinen einzigen Tag, unter der Woche, Gedanken darüber machen muss, was man anziehen soll.
(Die Mädchen hier an der Schule hassen es allerdings eine Schuluniform tragen zu müssen.)
Sie besteht aus einer Art Jogginghose, einer Sweater-Jacke und 2 T-Shirts, zum unter der Woche wechseln.
Man zieht unter dem T-Shirt hier noch etwas an, zum öfter als 2 Mal die Woche wechseln, weil Brasilianer sehr viel Wert auf Hygiene legen. SEHR viel Wert!
Ich wurde schon ein paar Mal in der Schule gefragt, ob wir in Deutschland auch jeden Tag duschen.
(Damit wollten sie wissen, ob manche wirklich NICHT jeden Tag duschen.
Indirekte Fragen sind auch typisch brasilianisch und Deutsche bzw. Europäer haben einen eher unhygienischen Ruf in Brasilien.) 
Ich habe sie beruhigt, dass ich hier in Brasilien jeden Tag dusche, worum wir auch äußerst dringend auf dem Vorbereitungscamp in Rio gebeten wurden.

Vor 2 Wochen waren wir als Familie auf einen 15. Geburtstag von einem Mädchen eingeladen.
Die 15. Geburtstage von Mädchen werden hier in Brasilien so krass groß gefeiert!
Wir waren einen Tag vorher im Salon, um uns die Nägel machen zu lassen, haben ein Abendkleid für meine Gastschwester, meine Gastmutter und mich gekauft, waren am Tag der Feier beim Friseur, um uns die Haare machen zu lassen, etc…
Bei der Feier waren um die 200 Gäste anwesend und mein Gastbruder hat mir erzählt das wäre eine der „kleineren Feiern“ gewesen.
Es gab ein großes Buffet, eine Foto Diashow von Geburt an, das Geburtstagskind hatte ein Disney-Prinzessinnen-Film-ähnliches Kleid an, es gab einen offiziellen Tanz (Walzer), ein Dessertbuffet (Brigadeiro!! *-*) und danach der inoffizielle Teil mit Diskomusik, Brasilianischer Musik, DJ und mir als einzige Deutsche unter circa 100 tanzbegabten Brasilianern und Brasilianerinnen … haha.

Nach diesem Wochenende war endlich mein erster Schultag.
Ich muss sagen er war richtig toll!
Die erste Stunde war zwar ein bisschen unschön, weil meine Klassenkameraden mir ein bisschen unschlüssig und vorsichtig vorkamen, um mich erstmal einzuschätzen, aber danach, als sie (hoffentlich) gemerkt haben, dass ich in Ordnung bin, waren plötzlich alle unvorstellbar interessiert.  Sie standen alle in einer Traube um mich herum (auch während des Unterrichts) haben mich fast an meinem Tisch zerquetscht und mit Fragen bombadiert!
Sie wollten unbedingt wissen, wie Schule in Deutschland so ist, welcher mein Lieblingssänger ist, welche Serien ich schaue und ob ich in Deutschland einen „namorado“ (Freund) habe.
(Das fragt mich hier in Brasilien jeder, meine Gasttante will mich hier verkuppeln und meine andere Gasttante meint es ist schlau, dass ich in Deutschland keinen Freund hatte …)

In meiner Klasse hier spricht nur ein Mädchen Englisch, der Rest nur Portugiesisch.
Als ich das erste Mal Englischunterricht hatte wusste ich wieso:
Wir hatten einen Test und die Grammatikerklärung stand auf der Vorderseite.
Auf der Rückseite sollte man nur die Präpositionen in Sätze wie „She’s on the bus.“ einsetzen.
Man konnte quasi die Lösungen abschauen.
Nur die Personen, die nachmittags außerhalb der Schule Englischkurse nehmen sprechen Englisch und das sind nicht wirklich viele.

An einem Nachmittag habe ich mit meiner Gastmutter „Brigadeiro de panela“ gemacht.
Es ist so unglaublich lecker, aber auch krass süß und kalorienreich.
Es besteht aus Butter, Kondensmilch und Trinkkakao, wird aufgeköchelt, während ständigem Rühren, und nach dem Abkühlen aus dem Topf gelöffelt.

In der ersten Schulwoche bin ich das erste Mal hier im Stadtviertel Joggen gegangen.
Ich bin zum Park in der Nähe gejoggt, habe eine Runde gemacht, und bin dann wieder zurück.
Auf dem Hinweg hat ca. jedes dritte Auto mir hinterher gehupt und gepfiffen (etwas ungewohnt, so oft, wenn man aus Deutschland kommt), allerdings ist das auf dem Rückweg, als mein komplettes Gesicht rot und verschwitzt war und meine Haare in alle Richtungen standen, schon weniger geworden, hahaha. 
Ich habe hier den Muskelkater meines Lebens vom Joggen. Wirklich es sollte nicht unterschätzt werden mit den ganzen Hügeln (und damit meine ich wirkliche Hügel).
Beim zweiten Mal habe ich eine andere Joggerin getroffen. Sie hat mich gefragt, ob ich zum Park jogge und ob wir die eine Straße zusammen joggen können. Ich so, ja klar, und dann hat sie erzählt, dass sie die vorherige Woche ziemlich früh morgens unterwegs war und auf dem Stück Richtung Park, auf dem keine Gebäude, sondern nur Bäume am Straßenrand sind, plötzlich ein Mann aus dem Gebüsch gekommen ist und sie nach der Uhrzeit gefragt hat. Er hat sie außerdem nach ihrem Handy gefragt und war ziemlich angsteinflößend.. Sie hat mir geraten das Stück nicht mehr alleine zu Joggen, weil die Kriminalität in diesem eigentlich sicheren Stadtviertel auch zunimmt.  

Mit meinen Freundinnen habe ich zum ersten Mal Açaí gegessen, in einem Restaurant in der Nähe von meiner Schule.
Das ist eine Art Eis aus der Frucht „Açaí“ mit Topping nach Wahl (Kondensmilch, Früchte, Honig, …).
Hier in Brasilien wird ziemlich viel Kondensmilch gegessen/benutzt. Brigadeiro besteht auch hauptsächlich daraus.
Daraus lässt sich folgern, dass die meisten Leute hier auch ein bisschen mehr Kilos auf den Hüften haben.
In Deutschland sind die meisten Kinder ja so dünn wie Spargel, aber hier gehen viele Kinder schon Richtung Übergewicht.
(Kein Wunder bei dem guten Essen)
Am gleichen Tag habe ich mit meiner Gastfamilie noch das Oscar Niemeyer-Museum besucht, welches eine Form von einem Auge hat. (Fotos folgen)

Meine Philosophie Lehrerin in der Schule hat zu mir gesagt, dass ich meine Textarbeit auf  Deutsch schreiben kann! Haha
Ihre Mutter spricht Deutsch und wird sie mit ihr korrigieren. 
In Südbrasilien sind die meisten europäischer Abstammung. Curitiba ist eher polnisch und italienisch, aber weiter südlich in Santa Catarina gibt es viele deutsche Orte (z.B. Blumenau, mit dem 2. Größten Oktoberfest der Welt).

In Curitiba gibt es mehrere Ballettschulen und ich habe in Deutschland schon Ballett gemacht, deshalb war ich zum Ausprobieren in einer Probestunde.
Die Ballettlehrerin hier ist strenger als in Deutschland und es wird mehr Technik gemacht und auf Feinheiten geachtet.
Vom Level her sind die Mädchen alle super unterschiedlich in der Gruppe.
Es gibt z.B. ein kleines Mädchen das fast schon professionell tanzt, aber auch halbe Anfänger.

Gestern und Vorgestern waren „feriados“ (Feiertage) und wir sind über das Wochenende in das Haus der Familie am Strand gefahren.
Es ist ziemlich klein, aber die Zeit dort war wirklich schön!
Wir waren dort mit Tanten, Onkel, Großeltern und meiner (Gast-)Cousine, haben in Stockbetten geschlafen, sind am Strand spazieren gegangen und sogar ins Wasser. (Es ist im Moment Winter und es hatte um die 18-23 Grad Lufttemperatur.)
Aber zum Glück fängt diesen Monat der Frühling an und es wird wärmer!

Mehr fällt mir im Moment nicht zum ersten Monat ein. 
Liebe Grüße aus Brasilien!


Beijos Ina

Schuluniform

15. Geburtstagsfeier in Brasilien

Brigadeiro de panela

Açaí

Oscar Niemeyer Museum

Brasilianische Berge

Feriados am Strand